Dass Fernstudierende sogenannte Kontrollaufgaben am Computer bearbeiten, ist heutzutage keine Besonderheit mehr. Der Korrekturaufwand ist für die Institute im Vergleich zur handschriftlichen Variante geringer und die Auswertung erfolgt dementsprechend schneller. Weitaus ungewöhnlicher ist im Fernstudium dagegen die Möglichkeit, nicht nur den üblichen Lernstoff, sondern auch die schriftlichen Modul- und Abschlussprüfungen von Zuhause aus zu erledigen. Online-Klausuren sind die Lösung.
In Deutschland können Fernstudierende beispielsweise an der IU Internationale Hochschule oder an der AKAD University diese Prüfungsform als freiwillige Alternative zu Präsenzklausuren wählen. Auch andere Anbieter wie die Apollon Hochschule und die srh Fernhochschule setzen im Zuge der Coronapandemie und den Beschränkungen des öffentlichen Lebens mittlerweile auf Prüfungen von zu Hause aus – zumindest für bestimmte Module. Wie Online-Klausuren im Detail ablaufen und welche Vorzüge sie haben, stellen wir Ihnen im Folgenden vor.
So laufen Online-Klausuren beispielsweise an der IU ab
Im Vorfeld Ihrer Klausur installieren Sie je eine Software-Anwendung auf Ihrem PC und Smartphone, damit Sie Ihr Prüfungsaufseher, der sogenannte Proctor, während der Arbeitsphase bestmöglich beaufsichtigen kann. Mit dem Programm MegaMeeting gewähren Sie Zugriff auf Kamera und Mikrofon Ihres Mobilgeräts. Später positionieren Sie Ihr Handy so seitlich neben sich, dass die Kamera Sie im Profil vom Kopf bis zu den Händen erfasst. Außerdem laden Sie sich das Tool Bomgar für Ihren Computer herunter, über den Ihr Proctor alle Vorgänge auf Ihrem Desktop sowie im Browser beobachten und beispielsweise unerlaubte Hilfsmittel eigenständig schließen kann.
Aus rechtlichen Gründen informiert Sie die Fernhochschule daher vor jeder Prüfung umfassend über die Überwachung sowie die Nutzung und temporäre Speicherung Ihrer Daten, in die Sie mit einer Erklärung einwilligen. Anhand einer Checkliste überprüfen Sie vorab, welche technischen Einstellungen Sie an Ihren Geräten vornehmen und wie Sie Ihr Zimmer mit Ihrem Arbeitsplatz herrichten müssen. Im Zuge dessen aktivieren Sie unter anderem den Flugmodus Ihres Handys und räumen den Schreibtisch leer. Zudem filmen Sie mit Ihrer Smartphone-Kamera einmal den kompletten Raum ab, in dem Sie sich aufhalten.
Um einen Betrugsversuch möglichst auszuschließen, sind darüber hinaus konkrete Verhaltensregeln einzuhalten. Beispielsweise dürfen Sie nicht im Raum umherschauen, den Platz verlassen oder laut sprechen. Bei Verstößen hat der Proctor letztlich auch die Befugnis, Ihre Prüfung als Fehlversuch zu werten. Schließlich weisen Sie Ihre Identität über Ihren Personalausweis nach, den Sie zur Überprüfung in die Kamera halten.
Die Proctoren waren immer nett, kompetent und geduldig – aber alles in allem hat sich mein Kontakt mit ihnen auf ein absolutes Minimum beschränkt, da es zu keiner Zeit irgendwelche Probleme oder außergewöhnlichen Situationen gab.
In der Klausur kommen sowohl Multiple-Choice- als auch Fragen mit freier Eingabe über einen Texteditor auf Sie zu. Je nach Fach und Thema greifen Sie auf einen virtuellen Taschenrechner oder andere erlaubte Hilfsmittel zurück. In dringenden Notfällen dürfen Sie die Toilette besuchen. Währenddessen läuft Ihre Bearbeitungszeit weiter und Ihr Proctor vermerkt sich Ihre Abwesenheit in seinem Bericht. Bei Ihrer Rückkehr zeigen Sie noch einmal Ihre Räumlichkeiten, bevor Sie fortfahren dürfen.
Die von den Fernhochschulen genannten Vorteile
- Kosten- und Zeitersparnis: Die Anreise zum Prüfungszentrum entfällt.
- Flexibilität: Sie können Klausuren ohne Anmeldung nach eigenem Belieben an jedem Tag und zu jeder Stunde im Jahr schreiben.
- Barrierefreiheit für Menschen mit körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung.
- Erleichterung der Stresssituation für Fernstudierende mit Prüfungsangst.
Mögliche Nachteile
- Der Proctor ist keine Lehrperson und kann Ihnen bei inhaltlichen Fragen sehr wahrscheinlich nicht weiterhelfen.
- Anderweitige Rückfragen sind nur auf Englisch möglich.
- Technische Probleme, wie längere Unterbrechungen der Internetverbindung, können zur Wiederholung der Klausur führen.
- Für den nordamerikanischen Anbieter gelten keine europäischen Datenschutzrichtlinien.
Ich kann meine Studieneinheiten meinem beruflichen Arbeitsaufkommen völlig frei anpassen und muss nicht auf einen Präsenzklausurtermin hin lernen. Weiterhin kann ich zu Hause in meiner gewohnten Umgebung schreiben. Aufwendige Reisen und Übernachtungen entfallen.
Fazit
Mit ihrem Prüfungsangebot bieten Anbieter wie die IU und die AKAD ihren Fernstudierenden die Möglichkeit, das Fernstudium flexibel an die eigenen Wünsche anzupassen. Während Sie als Fernstudierender bislang für größere Tests zum Standort des Anbieters oder einem nahegelegenen Prüfungszentrum reisen mussten, können Sie nun alternativ Ihre Klausuren ortsunabhängig, an jedem beliebigen Tag und zu jeder Zeit schreiben.
Außerdem erleichtern Online-Klausuren Menschen den Zugang zur Prüfung, die unter einer körperlichen und geistigen Behinderung leiden oder durch starke Prüfungsangst gehemmt sind. Auch die beiden von uns befragten Fernstudierenden der IU äußern sich insgesamt sehr positiv über das Angebot. Joachim Willms möchte sogar “nur noch online schreiben, weil es sich besser mit [s]einem Beruf verbinden lässt.”
Zumindest problematisch erscheint dagegen die rechtliche Dimension des Datenschutzes. Ihre aufgezeichneten Daten landen bei einem außereuropäischen Unternehmen, das nicht an die entsprechenden europäischen Richtlinien gebunden ist. Zudem droht Ihnen bei unvorhergesehenen technischen Problemen wie längeren Ausfällen der Internetverbindung die Wiederholung der Klausur.
In unserem zweiten Artikel zum Thema Online-Klausuren: Die Prüfungszukunft im Fernstudium? stand uns Frau Dr. Carmen Thoma, Projektleiterin an der IU für den Bereich Online-Klausuren, Rede und Antwort. Unter anderem wollten wir von ihr wissen, wie Sie auf die Bedenken in puncto Datenschutz reagiert und was die Praxispartner der IU von dem neuen Angebot halten.
